Tierwohl ist Gemeinwohl
Was wir schon jetzt aus der Corona-Krise lernen müssen
Weltweit forschen Wissenschaftler fieberhaft nach einem Impfstoff, Politiker diskutieren Bestrebungen für nachhaltige Exit-Strategien, die Wirtschaft ächzt unter der Last von Ausgangssperren, Produktionsstopps und Geschäftsschließungen: COVID-19 hat die Welt nach wie vor fest im Griff – gesundheitlich, wirtschaftlich, gesellschaftlich. Die Krise offenbart dabei nicht nur eklatante Missstände in den Gesundheitssystemen dieser Welt, sondern führt uns auch vor Augen, wie gravierend die Auswirkungen von misslungener internationaler Zusammenarbeit, egozentrischem Krisenmanagement und der Ignoranz wissenschaftlicher Erkenntnisse zum Thema Zoonosen sind. So könnten doch insbesondere Letztere maßgeblich zur Verhinderung neuer Pandemien beitragen.
Neben all den offengelegten Schwachstellen in der Krisenbewältigung erscheint die Prävention bzw. Ursachenforschung jedoch oft nachrangig. Fragestellungen wie „Was könnte im Krisenmanagement verbessert werden?“ und „Wie bewältigen wir Pandemien zukünftig effektiver?“ sind wesentlich präsenter als „Was tun wir, um die Gefahr von Viren tierischen Ursprungs nachhaltig zu verringern?“.
Ist es dafür etwa noch zu früh – oder ist das Thema schlicht zu unbequem?
Die Krise nicht nur bewältigen, sondern begreifen
Fast überall in Europa werden Lockerungen der Corona-Maßnahmen diskutiert: In Deutschland etwa dürfen einige Teile des Einzelhandels unter Einhaltung bestimmter Hygieneregeln wieder öffnen. Wirtschaftlich gesehen ist der komplette Lockdown eines Landes schließlich eine Vollkatastrophe. Neben den ohnehin schon erheblichen Verlusten durch das Virus als solches führt er zu bislang ungeahnten finanziellen Einbußen, Existenzverlusten und Staatsschulden im Milliardenhöhe. Zu früh, um sich an dieser Stelle bereits über die Prävention einer neuen Pandemie Gedanken zu machen, ist es daher eigentlich nicht. Doch führt die aktuelle Debatte meist lediglich die Teilbereiche an, die im Fall einer erneuten Krise optimiert werden müssen, und lässt dabei einen wesentlichen Schritt aus. Den Schritt zurück Richtung Ursachenforschung und -prävention.
So werden zwar viele Schwachstellen identifiziert und es herrscht zumindest hierzulande große Einigkeit darüber, dass sich nach der Corona-Krise etwas ändern muss – ganz unbedingt sogar. Das Gesundheitswesen etwa müsse besser ausgestaltet und ausgestattet werden, die Kommunikation über sowie die Vorbereitung auf neue Pandemien solle internationaler und umfangreicher werden, die momentane Solidarität innerhalb der Bevölkerung müsse beibehalten werden, ebenso wie die spürbare Entschleunigung. Und dann natürlich die Digitalisierung: Über Jahre verschlafen zeigt sich nun ihre Notwendigkeit. Am Arbeitsplatz, im Bildungswesen, eigentlich überall. Da muss sich definitiv etwas tun.
Wenngleich all die genannten Punkte ohne Frage Optimierungspotenzial aufweisen – und das auch ohne Corona-Krise – setzen sie in diesem Zusammenhang das Eintreten einer erneuten Pandemie scheinbar ausweglos voraus. Fast scheint es so, als wäre unser reaktives Bewältigen der nächsten Krise (dieses Mal mit dem besten Gesundheitssystem und der schnellsten 5G-Online-Lernplattform für Schülerinnen und Schüler aller Zeiten) das Beste und Einzige, was wir tun können. Dabei ergibt sich aus der aktuellen Krise ein weiterer wesentlicher Ansatzpunkt, der einen Anlass für eine elementare Veränderung darstellt – jedoch im Rahmen des aktuellen Konsumverhaltens mutmaßlich recht unbequem ist: Wir müssen unseren Umgang mit Tieren überdenken. Punkt.
Wenn Prof. Dr. Christian Drosten, Direktor des Instituts für Virologie an der Berliner Charité, sagt:
„Der aktuelle Grund sollte jetzt sehr überzeugend sein, notwendige Veränderungen in Angriff zu nehmen. Das Problem ist der Fleischhunger in der sich ausweitenden Gesellschaft.“
dann sollte uns dies nicht nur zu denken geben, sondern eben auch die Notwendigkeit einer Neuorientierung in Sachen Fleischkonsum, Massentierhaltung und Wildtierhandel offenlegen. Während es an dieser Stelle recht einfach erscheint, mit dem Finger in Richtung Asien zu zeigen, sind unsere Verhaltens- und Konsumweisen gleichermaßen besorgniserregend. Zwar ist der genaue Ursprung von SARS-CoV-2 noch nicht abschließend geklärt. Doch selbst der Theorie, dass das neuartige Coronavirus aus einem Labor stammen könne, steht letztlich der Fakt gegenüber, dass aktuell 75 % der neu auftretenden Infektionskrankheiten tierischen Ursprungs sind – und die verheerenden Auswirkungen durch das immer tiefere Eindringen des Menschen in fremde Lebensräume, den zunehmenden Kontakt mit Wildtieren, die unbekannte Viren in sich tragen, sowie die unnatürlichen Haltungsbedingungen in der Massentierhaltung als Nährböden für Keime und Erreger eine omnipräsente Bedrohung für unsere Gesundheit darstellen. Ganz abgesehen vom Artensterben, Tierrechtsverletzungen und unwürdigen Haltungsbedingungen natürlich.
Wissenschaftler warnen schon lange vor der Gefahr von Viren, die von Tieren auf den Menschen überspringen, und nennen dabei nicht nur Wildtiermärkte wie etwa in China, die nicht unseren europäischen Standards entsprechen, sondern auch die Massentierhaltung hierzulande als Risikofaktor. Diese müsse nach Drosten durch das Management von Beständen, d. h. durch die Verbesserung der Nutztierhaltung, z. B. weniger Vieh pro Fläche und kein Zusammentreffen von ganz verschiedenen Arten, überarbeitet werden. Dr. Kurt Schmidinger, wissenschaftlicher Beirat der Albert Schweitzer Stiftung, warnt davor, dass die Industrialisierung der Nutztierhaltung eine große Gefahr neuer Krankheitserreger birgt – insbesondere in Verbindung mit vermehrten Transporten von Tieren und Tierprodukten. Die Verhaltensforscherin Jane Goodall erkennt unsere Missachtung der Natur sowie unsere Respektlosigkeit gegenüber Tieren als wesentliche Ursache der Pandemie:
„Wenn wir beispielsweise den Wald zerstören, werden die verschiedenen Tierarten, die ihn bewohnen, gezwungen, auf engerem Raum zu leben. Krankheiten werden von einem Tier auf das andere übertragen – und eines dieser Tiere, das gewaltsam in die Nähe des Menschen gebracht wird, wird diese wahrscheinlich infizieren."
Ihrer Meinung nach könnten wir dies zukünftig nur mit einem Umdenken unseres Umgangs mit Natur und Tieren verhindern.
Was bedeutet das für uns?
Wir als Konsumenten sollten uns über die Dringlichkeit einer Abkehr von der aktuellen Form der Nutztierhaltung bewusst werden und unser eigenes Kaufverhalten daran ausrichten. Schmidinger hält dazu fest:
„Selbst Kinder greifen nur einmal auf die heiße Herdplatte – und wir als Gesellschaft sind wirklich lernresistent? […] Seit kurzem haben wir weltweit absolute Top-Produkte auf pflanzlicher Basis. In wenigen Jahren werden wir zudem sicheres Fleisch aus gezüchteten Tierzellen am Markt haben – ohne Massentierhaltung, ohne Tiertransporte, ohne Schlachthöfe und ohne Wildtiermärkte. Statt uns von Pandemie zu Pandemie zu hanteln und multiresistente Keime zu züchten, sollten wir die Möglichkeiten des 21. Jahrhunderts nutzen: Die endgültige Abkehr von der industriellen Nutztierhaltung und von Wildtiermärkten!“
Als Verbrauchern kommt uns in diesem Zusammenhang eine entscheidende Rolle zu: Unser Kaufverhalten bestimmt, welche Produkte erfolgreich vertrieben werden. Wenn wir beispielsweise weniger, dafür aber hochwertigeres Fleisch konsumieren – etwa von zertifizierten Bio-Betrieben aus der Region –, mehr pflanzliche Ersatzprodukte kaufen oder vegetarische bzw. vegane Gerichte auf unseren Speiseplan setzen, macht sich dies in der Summe bemerkbar. Auch können wir mit der Teilnahme an entsprechenden Online-Petitionen gegen Themen wie Massentierhaltung und Tiertransporte eintreten und die Regierung auffordern, auch auf höchster Ebene mehr für den Tierschutz bewirken. Denn dieser ist schon lange keine Frage der Ethik mehr, sondern eine der weltweiten Gesundheit.
Quellen:
www.swr.de | www.albert-schweitzer-stiftung.de | www.stern.de
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