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Wildtierhandel und COVID-19


Wildtierhandel und COVID-19

Das Virus ins Haus geholt

Warum wir Wildtierhandel und Massentierhaltung stoppen müssen

Dieser Tage hört man häufig, dass die Natur sich zurücknimmt, was ihr gehört, dass sie ein Zeichen setzt, uns einen Denkzettel verpasst. So könnte man angesichts der Maßnahmen gegen die Verbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 auf die Idee kommen, dass sie einfach genug hat von unserem regen Flugverkehr, den massiven Emissionen durch Fabriken oder aber unserem immer währenden Drang nach mehr: mehr haben, mehr verbrauchen, mehr verschmutzen. Einige der wohl prominentesten Bilder, die derzeit um die Welt gehen, sind dabei die der Flüsse Venedigs, die so klar und fischreich wie schon lange nicht mehr sind. Nature strikes back – richtig?

Tatsächlich muss die Natur sich gar nicht so sehr bemühen: Das Problem ist ein menschengemachtes. Und zwar eines, vor dem Wissenschaftler bereits seit Jahren warnen: So sind 75 % der neuen Infektionskrankheiten auf einen tierischen Ursprung zurückzuführen. Und an dieser Stelle kommt eben nicht in erster Linie die Natur, sondern wir ins Spiel.

Ein Blick zurück: Was ist Corona?




Bereits Ende 2019 meldete China der Weltgesundheitsorganisation WHO das vermehrte Auftreten einer Lungenentzündung mit ungeklärter Ursache. Forschern gelang es daraufhin, ein neuartiges Virus, damals 2019-nCov genannt, zu identifizieren. Mittlerweile kennen wir das Virus unter dem Namen SARS-CoV-2. CoV für Coronavirus, SARS wegen der Atemwegserkrankung, die das Virus birgt. COVID-19 wiederum bezeichnet die Lungenkrankheit, die das Virus auslöst und steht für Corona Virus Disease 2019. Stand heute (31.03.2020) gibt es über 800.000 bestätigte Corona-Infektionen, mehr als 39.000 Menschen sind an den Folgen der Krankheit gestorben.

Bei dem Coronavirus handelt es sich um Krankheitserreger, die sowohl Menschen als auch Tiere infizieren können, also um sogenannte Zoonosen. Zoonotische Erreger sind auch für Krankheiten wie Ebola, HIV, die Vogelgrippe, MERS und Zika verantwortlich. Sie können vom Tier auf den Menschen überspringen – und umgekehrt. Laut WWF vermuten Wissenschaftler sogar, dass dies in nächster Zeit häufiger geschehen wird. Sie mahnen demnach vor einem Anstieg von Spillover-Ereignissen, sprich, dass ein Erreger von einer auf die andere Art überspringt.

Hintergrund:

Zoonosen machen den Großteil aller neu auftretenden Infektionskrankheiten aus, die den Menschen betreffen. Ebola beispielsweise überträgt sich wahrscheinlich von mehreren Wildtieren, darunter Affen. Der Erreger von MERS konnte auf Dromedare als Zwischenwirte zurückgeführt werden, das SARS-Virus wurde mutmaßlich auf einem Tiermarkt auf den Menschen übertragen. In der Regel gilt das Fleisch von Wildtieren als Infektionsweg.

Wie ist Corona entstanden?




Wenngleich der Ursprung des Erregers noch nicht abschließend geklärt ist, gehen Wissenschaftler wie Christian Walzer, Tierarzt und Artenschützer der Wildlife Conservation Society (WCS), davon aus, dass er auf einen oder mehrere Wildtiermärkte in Wuhan, China zurückzuführen ist. Die ersten Patienten haben sich demzufolge Ende 2019 auf einem solchen Markt in der Hauptstadt der chinesischen Provinz Hubei infiziert. Entgegen der These, dass das Virus in einem Labor entwickelt wurde, geben Wissenschaftler an, dass SARS-CoV-2 vermutlich durch natürliche Prozesse entstanden ist. So weist die molekulare Struktur deutliche Unterschiede zu den Coronaviren SARS-CoV und MERS auf. Wäre es künstlich im Labor erzeugt worden, so die Vermutung, hätte man sich wahrscheinlich am bereits bekannten Aufbau orientiert.

Laut Forschern weist das Genom des neuen Coronavirus darauf hin, dass es zunächst von Fledermäusen beherbergt wurde. Ob bzw. über welchen Zwischenwirt (z. B. Schuppentiere) es dabei auf den Menschen übertragen wurde, ist noch nicht bekannt.

Übertragung leicht gemacht




Wissenschaftler wie die Weltgesundheitsexpertin Alanna Shaikh erklären eindeutig, dass unser Verhalten die Übertragung von neuartigen Viren herbeiführt. So dringen wir Menschen immer tiefer in tropische Wälder vor und treffen dort auf Tiere, die bisher unbekannte Viren in sich tragen. Auf Chinas Wildtiermärkten, zum Beispiel, bekommen die Erreger die Möglichkeit, auf einen neuen Wirt überzuspringen. So wird auf diesen Märkten neben Geflügel, Fisch sowie Nutz- und Haustieren auch mit Fledermäusen, Ratten und exotischen, mitunter vom Aussterben bedrohten, Tieren gehandelt. Insbesondere Wildfänge können Viren tragen, die für sie selbst ungefährlich sind, für Menschen jedoch nicht.

Je häufiger Menschen und Tiere in Kontakt kommen, desto größer ist die Zahl der Viren, die von einer auf die andere Spezies übergehen kann. Christian Walzer von der WCS hält dabei fest:

„Auf Märkten wie dem in Wuhan vermischen sich Viren von Tieren und Menschen, sie tauschen ihr Erbgut untereinander aus, sodass immer wieder neue Mischviren entstehen. Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass irgendwann einer davon zu einer gefährlichen und ansteckenden Variante mutiert und auf Menschen überspringt.“

Und nun? Wildtierhandel stoppen!




Während Fledermäuse eine wichtige Rolle in unserem Ökosystem erfüllen – sie verbreiten Samen, bestäuben Pflanzen –, ist der Handel mit Wildtieren alles andere als sinnvoll. Abgesehen vom Gesundheitsrisiko, das der Kontakt mit wilden Tieren sowie der Verzehr von tierischen Produkten birgt, stellt der Handel auch im Hinblick auf das Artensterben eine enorme Bedrohung dar. Tiere werden in Käfige gesperrt, gehandelt und getötet – ihre gewohnten Lebensräume zerstört.

Laut der Weltorganisation für Tiergesundheit OIE entstehen jedes Jahr fünf neue menschliche Krankheiten, drei davon haben einen tierischen Ursprung. Um Pandemien wie die des Coronavirus zu verhindern, müssen deren Ursachen bekämpft werden. Dies beginnt mit der Eindämmung des Wildtierhandels, dem Schutz des Regenwaldes sowie natürlicher Lebensräume und endet bei uns auf dem Esstisch.

Wildtierhandel in China – was haben wir damit zu tun?






Nicht nur aufgrund der rund 106 Milliarden Euro Importgüter aus China, die wir allein im Jahr 2018 in Deutschland bezogen haben, ist es zu simpel, mit dem Finger nach Asien zu zeigen. Sicherlich ist eine Auseinandersetzung mit den dortigen Märkten und Praktiken unabdingbar, doch eben nur ein Teil des Problems. Kurt Schmidinger, wissenschaftlicher Beirat der Albert Schweitzer Stiftung, skizziert ausführlich, wie der Tierproduktkonsum allgemein zu Pandemien beiträgt. Demzufolge sind sich Wissenschaftler einig, dass sowohl Wildtiermärkte als auch die industrielle Nutztierhaltung Gesundheitsrisiken in Form von Pandemien fördern.

So warnte etwa die WHO bereits 2017 vor dem Einsatz von Antibiotika in der Nutztierhaltung. Es bestünde die Gefahr, dass sich Keime bilden, die gegen diese Antibiotika resistent sind. Zudem erklärte die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO im Jahr 2008, dass die moderne Form der Tierhaltung neue Krankheitserreger hervorbringen kann. Insbesondere in warmen, feuchten Klimazonen etwa bestünde ein hohes Risiko hinsichtlich der Entstehung neuer Viren.

Probleme sieht Schmidinger vor allem in der hohen Besatzdichte der Betriebe sowie bei dem konzentrierten Anfall von Exkrementen. Letztere stellen demnach auch nach ihrer Entsorgung auf Ackerflächen oder ins Grundwasser eine weitere Infektionsquelle dar, auch für andere wildlebende Tiere.

Gestützt werden diese Aussagen von Daten wie denen der OIE (2005 bis 2007), die zeigen, dass die Wahrscheinlichkeit für HPAI-H5N1-Ausbrüche in Geflügelbetrieben mit mehr als 10.000 Tieren gleich vier Mal so hoch ist wie in kleineren Betrieben.

Was sind (schon jetzt) Schlüsse aus der Coronapandemie?




Auch wenn uns unsere heutige Lebensweise – im Rahmen der schier unbegrenzten Möglichkeiten durch Globalisierung und Digitalisierung – suggeriert, dass wir zwingend Zugang zu allem haben müssen, müssen wir in erster Linie eines: unser Verständnis für die Umwelt und unsere Rolle in ihr überdenken.

Wie die Verhaltensforscherin Jane Goodall bezeichnend erklärt, besteht ein Zusammenhang zwischen unserem Agieren gegenüber wildlebenden Tieren und dem Entstehen von Epidemien. Unser Konsum, die Zurschaustellung und der Aberglaube, Tiere ihres natürlichen Lebensraums zu berauben, gefährden folglich uns Menschen selbst – alles steht in Abhängigkeit zueinander.

Doch schon jetzt wird der Ursprung des Virus auf ein einzelnes Land heruntergebrochen, die Details verschwinden irgendwo zwischen wild market und wet market, die Rückschlüsse auf andere Verhaltensweisen, die wir gegenüber Tieren an den Tag legen, bleiben ausgespart. Dabei sind sich Experten wie Goodall und Shaikh einig: Unser Eindringen in fremde Lebensräume und der Umgang mit Tieren allgemein wird auch in Zukunft die Entstehung und Ausbreitung von Viren bedingen. Und solange wir dies nicht verinnerlichen, braucht sich die Natur gar nicht zu bemühen: Den Denkzettel verpassen wir uns schon ganz von allein.

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